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Zu den neuen Vorläufigkeitsvermerken der Finanzverwaltung

Immer wieder stehen die Steuervorschriften im Verdacht, verfassungswidrig zu sein. Sind Verfahren zur Frage der Verfassungsmäßigkeit beim Bundesfinanzhof (BFH) oder beim Bundesverfassungsgericht (BVerfG) anhängig, ist es gängige Praxis der Verwaltung, alle Steuerbescheide von Amts wegen mit einem entsprechenden Vorläufigkeitsvermerk gem. § AO § 165 der Abgabenordung zu versehen. Dies bedeutet, dass ein Bescheid vom Finanzamt auch dann mit einem entsprechenden Vorläufigkeitsvermerk versehen wird, wenn im konkreten Fall vom Steuerzahler keine verfassungsrechtlichen Einwände erhoben wurden. Durch den Vorläufigkeitsvermerk wird der Steuerbescheid bezüglich der für vorläufig erklärten Besteuerungsgrundlagen des Steuerbescheids nicht bestandskräftig und bleibt daher für spätere Änderungen offen. Auch ohne einen Einspruch kann der Bescheid dann – nach endgültiger Klärung durch das BVerfG - noch zu einem späteren Zeitpunkt in diesem Punkt zugunsten des Steuerzahlers geändert werden, sofern das BVerfG die konkrete Steuervorschrift für verfassungswidrig erklärt.


Mit Schreiben vom 31.1.2022 hat die Finanzverwaltung nun mitgeteilt, für welche konkreten Fälle ein Vorläufigkeitsvermerk in den neu zu erlassenden Bescheiden aufgenommen wird (BMF, Schr. v. 31.1.2022 – IV A 3 – S 0338/19/10006 :001). Dies betrifft die Höhe der kindbezogenen Freibeträge, den Abzug außergewöhnlicher Belastungen bei der Berücksichtigung von Aufwendungen für Krankheit und Pflege, die Besteuerung von Leibrenten oder sonstigen Leistungen aus der Basisversorgung und die Beschränkung der Verlustverrechnung für Aktienveräußerungsverluste nach § 20 Abs. 6 Satz 4 des Einkommensteuergesetzes. Bezüglich des letzten Punktes hat der BFH beanstandet, dass sich Verluste aus Aktiengeschäften nicht mit Gewinnen aus anderen Kapitalanlagen steuerlich verrechnen lassen. Dies hält das Gericht für verfassungswidrig und hat die Frage deshalb dem BVerfG vorgelegt (BFH, VIII R 11/18 - https://www.bundesfinanzhof.de/de/presse/pressemeldungen/detail/vorlage-an-das-bundesverfassungsgericht-der-bfh-haelt-die-verlustverrechnungsbeschraenkung-fuer-aktienveraeusserungsverluste-fuer-verfassungswidrig).


Bezüglich der Rentenbesteuerung hat der BFH zwar im konkreten Fall keine verfassungswidrige Doppelbesteuerung gesehen, jedoch ist hiergegen das BVerfG angerufen worden (https://www.bundesfinanzhof.de/de/presse/pressemeldungen/detail/zur-sog-doppelten-besteuerung-von-renten-i-bfh-legt-berechnungsgrundlagen-fest-und-zeigt-damit-drohende-doppelte-besteuerung-kuenftiger-rentnergenerationen-auf). Die Steuerpflichtigen müssen hinsichtlich des Vorläufigkeitsvermerks bezüglich der Rentenbesteuerung beachten, dass sie die für die Überprüfung einer etwaigen verfassungswidrigen Doppelbesteuerung notwendigen Unterlagen dem Finanzamt vorlegen müssen. Auf diese Nachweispflicht wird in den Steuerbescheiden ausdrücklich hingewiesen. Sie sollten daher schon jetzt Beweisvorsorge betreiben und alle Unterlagen über ihre Rentenansprüche, Rentenzahlungen und die steuerlich geltend gemachten Vorsorgeaufwendungen aufbewahren. Ein Einspruch gegen den Bescheid ist nicht mehr erforderlich, er wäre sogar unzulässig. Denn die Rechte des Steuerzahlers sind durch den Vorläufigkeitsvermerk ausreichend geschützt.


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