Die Corona-Pandemie hat zu menschenleeren Innenstädten und geschlossenen Ladengeschäften, Restaurants und Diskotheken einhergehend mit eingebrochenen Umsätzen geführt. Angesichts der existenziellen Sorgen fragten sich viele Gewerbe-treibende, wie sie überhaupt die Miete für das angemietete Ladenlokal bezahlen können. Einige Mieter setzten aufgrund der behördlich angeordneten Geschäfts-schließungen die Zahlungen für ihre angemieteten Gewerbeimmobilien einfach aus. Sie begründeten dies mit einer schwerwiegenden Störung der Geschäftsgrundlage oder einem Mangel der Mietsache. Der Weg zu den Gerichten war damit vorprogrammiert. Zuletzt sollte nun der Bundesgerichtshof (BGH) Klarheit schaffen, ob die Mieter infolge des ersten Lockdowns und den damit einhergehenden Schließungen eine Reduzierung oder gar Aussetzung der Mietzahlungen wegen eben dieser Störung der Geschäftsgrundlage vornehmen durften oder nicht.
Im konkreten Fall hatte das Oberlandesgericht Dresden entschieden, dass für die Dauer der vorübergehenden Schließung einer seiner Filialen der Textil-Discounter Kik nur die Hälfte der Miete zahlen musste. Der BGH hob die Vorentscheidung mit Urteil vom 12. Januar 2022 – XII ZR 8/21 auf, das Gericht in Dresden muss die Sache noch einmal verhandeln. Zwar bejaht der BGH dem Grunde nach eine Mietanpassung dem Grunde nach wegen Störung der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 Abs. 1 BGB (https://www.bundesgerichtshof.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2022/2022004.html) Gleichwohl lehnt er einen Anspruch des Mieters auf eine pauschale Reduzierung der Miete ab und fordert hingegen eine Abwägung unter Berücksichtigung aller Umstände im Einzelfall. Hierbei hat er auch klargestellt, dass Betriebsschließungen aufgrund von staatlichen Anordnungen keinen Mangel der Mietsache gemäß § 536 Abs. 1 BGB darstellen und deswegen kein Recht des Mieters auf Minderung der Miete begründen.
Weniger klar sind hingegen die Voraussetzungen einer schwerwiegenden Störung durch die staatlich angeordneten Betriebsschließungen. Der BGH gibt jedenfalls zu erkennen, dass er die Hürden für eine Vertragsanpassung und damit für eine Reduzierung der Miete recht hoch ansetzt. Entscheidend soll sein, ob beiden Vertragsparteien das Festhalten am bestehenden Vertrag noch zugemutet werden kann. Hier kann sich im Regelfall der Vermieter ruhig zurücklehnen, denn der Mieter muss zur Überzeugung des Gerichts darlegen, dass für ihn das unveränderte Festhalten am Vertrag unzumutbar geworden ist. Das bedeutet in der Konsequenz, dass die schließungsbedingten Umsatzrückgänge das Festhalten am Vertrag unmöglich machen müssen. In die vom BGH geforderte Einzelfallabwägung fallen dabei nur die tatsächlichen, pandemie-bedingten Umsatzrückgänge für das konkrete Mietobjekt während der Schließung. Die Konzernumsätze bleiben danach außen vor ebenso strategische Neuausrichtungen durch den Aufbau oder Ausbau eines Onlineangebotes zur Abfederung der Verluste im analogen Geschäftsverkehr. Im Rahmen der gebotenen Gesamtabwägung sind auch erhaltene staatliche Überbrückungshilfen, etwaige Einsparungen durch Kurzarbeit sowie Versicherungsleistungen zu berücksichtigen.
Mithin gibt dieses Urteil dem Mieter im Ergebnis nur Steine statt Brot. Der Ausgang zukünftiger Prozesse bleibt weiterhin unklar. Die Vertragsparteien befinden sich damit bildlich auf hoher See ohne die Gewissheit, einen sicheren Hafen in naher Zukunft ansteuern zu können. Um die bestehenden Geschäftsbeziehungen nicht zu gefährden oder gar gänzlich aufzulösen, sind die Vertragspartner daher weiterhin gut beraten, sich auf gemeinsame Lösungen vergleichsweise zu verständigen. Nur so lassen sich die Belastungen ausgewogen und fair verteilen.
Das Urteil ist in weiten Kreisen auf Zustimmung gestoßen. So ist etwa die Textilbranche mit dem Urteil zufrieden, weil es die gängige Praxis bestätigt, mit allen Vermietern in Einzelgesprächen über Kompensationen zu verhandeln, wobei mit dem überwiegenden Teil aller Vermieter außergerichtliche Einigungen über die Teilung der Mietkosten oder Kompensationen getroffen worden seien. Auch der BTE Handelsverband Textil Schuhe Lederwaren bezeichnete es als "nur fair", dass Kosten und Nachteile einer erzwungenen Schließung auf Mieter und Vermieter verteilt würden. Auch der Handelsverband Deutschland begrüßte das Urteil und der Immobilienverband Deutschland IVD plädiert für einvernehmliche Lösungen. So erklärte dessen Verbandspräsident Jürgen Michael Schick: "Am Ende sitzen Mieter und Vermieter in einem Boot und sind mit einer Situation konfrontiert, die so für sie nicht absehbar war... Einen Rechtsstreit zu vermeiden und eine einvernehmliche Lösung zu finden, wäre der beste Weg." Dem kann ich insoweit nichts mehr hinzufügen!
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