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Der "Fall" Felix Zwayer - Kritik und Meinungsfreiheit-

Aktualisiert: 23. März 2022

Es geht nicht um eine Bewertung der Schiedsrichterleistung von Felix Zwayer beim Spiel Dortmund gegen die Bayern, sondern um die Frage einer Unsportlichkeit des Dort-munder Spielers Jude Bellingham aufgrund seines Interviews. Dieser hatte den Schiri in einem Interview unmittelbar nach dem höchst emotionalen Fußballspiel hart kritisiert und auf Zwayers Verwicklung in die Affäre um den bestechlichen Schiedsrichter Robert Hoyzer verwiesen. "Du gibst einem Schiedsrichter, der schon vorher mal Spiele ge-schoben hat, das größte Spiel in Deutschland. Was erwartest du?" Dadurch hatte er nach Ansicht des DFB-Sportgerichts die Unparteilichkeit des Schiedsrichters ange-zweifelt und letztlich in Abrede gestellt, was als Unsportlichkeit bewertet wurde. Er wurde daraufhin zu 40.000,- € Geldstrafe verurteilt, die bislang verhängte Höchststrafe für den Vorwurf unsportlichen Verhaltens. Sicherlich unsportliches Verhalten ist kein Straftatbestand. Allerdings ist der unbestimmte Begriff des unsportlichen Verhaltens derart weit gefasst, dass er im Lichte der Grundrechte der Verfassung eingegrenzt werden muss im Hinblick auf die erhebliche Strafgewalt der Sportgerichtsbarkeit.


Da habe ich doch meine berechtigten Zweifel, ob das Verhalten von Jude Bellingham eine Unsportlichkeit nach dem DFB-Regelwerk erfüllt, die die bislang höchste verhängte Geldstrafe für eine verbale Äußerung rechtfertigt! Sicherlich Bundesliga-Profis sind Ein-kommensmillionäre, sind sie aber auch Freiwild innerhalb der DFB-Sportgerichtsbar-keit? Kann sich ein Fußballspieler außerhalb des Platzes nicht auf Artikel 5 des Grund-gesetzes berufen, wenn er sich mit Schiedsrichterentscheidungen kritisch auseinander-setzt, zumal er ja durch Entscheidungen des Schiedsrichters in seiner Berufsausübungs-freiheit nach Art. 12 des Grundgesetzes betroffen ist? Dies sind alles Fragen, die hier kurz beleuchtet werden sollen.


Bellinghams Äußerungen erfolgten nicht auf dem Fußballplatz unmittelbar dem Schiri gegenüber, sondern im Rahmen eines Interviews gegenüber einem Reporter in einer noch emotional aufgestauten Situation des Spielers unmittelbar nach Spielende. Wo liegt die konkrete Beleidigung bzw. Verleumdung des Schiedsrichters? Gesichert gilt, dass Felix Zwayer im Mai 2004 für das Regionalligaspiel zwischen dem Wuppertaler SV und den Amateuren von Werder Bremen 300 Euro angenommen hatte, um „als Schieds-richter-Assistent kritische Situationen für den Wuppertaler SV zu vermeiden“. Die Staats-anwaltschaft hatte das Verfahren gegen Zwayer im November 2005 wegen geringfügiger Schuld gegen eine Geldauflage eingestellt. Damit erfolgte zwar keine Verurteilung, aber auch kein Freispruch. Kommentiert wurde dies: „Nicht unerhebliche Bedenken“ habe man, so formulierte es der Sprecher der Staatsanwaltschaft nach dieser Entscheidung.


Bellinghams Aussage sei „persönlich, verunglimpfend und respektlos“, sagte Felix Zwayer der Bildzeitung mit den Worten, das dürfe so nicht stehenbleiben. Wirklich? Hierzu sollte man/frau sich einmal die aktuelle Rechtsprechung des Bundesverfassungs-gerichts -BVerfG- zur Frage der Reichweite der Meinungsfreiheit anschauen (https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2019/bvg19-049.html; https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2020/bvg20-049.html). Ein Kuschelkurs zu Gunsten der gut bezahlten Bundesliga-Schiedsrichter ist daher m.E. kontraproduktiv und stützt nicht deren notwendigen Respekt und Anerkennung gegenüber den Spielern. Felix Zwayer geht am Ende aus dem Ganzen geschwächt heraus.


Was sagt das BVerfG? Hier seine Kernaussagen: Eine polemische oder verletzende Formulierung einer Aussage entzieht diese nicht dem Schutzbereich des Grundrechts der Meinungsfreiheit. Bedeutung und Tragweite der Meinungsfreiheit sind schon dann verkannt, wenn eine Äußerung unzutreffend als Formalbeleidigung oder Schmähkritik eingestuft wird mit der Folge, dass sie dann nicht im selben Maß am Schutz des Grundrechts teilnimmt wie Äußerungen, die als Werturteil ohne beleidigenden oder schmähenden Charakter anzusehen sind. Beim BverfG ging es um die Einordnung von Äüßerungen eines Rechtsanwalts im einem Zivilrechtsstreit. Dieser hatte sein Ablehnungsgesuch gegen die Richterin damit begründet, dass " die Art und Weise der Beeinflussung der Zeugen und ihrer Verhandlungsführung stark an einschlägige Gerichtsverfahren vor ehemaligen nationalsozialistischen deutschen Sondergerichten" und die gesamte Verhandlungsführung " eher an einen mittelalterlichen Hexenprozess" erinnere. Selbst diese markigen Worte fallen nach Ansicht des Gerichts noch in den Schutzbereich des Grundrechts auf Meinungsfreiheit, weil es sich um Werturteile handelt. Das Gericht verlangt bei einer derartigen Äußerung immer eine Gewichtung der Beeinträchtigung, die der Meinungsfreiheit des sich Äußernden einerseits und der persönlichen Ehre des von der Äußerung Betroffenen andererseits droht. Einen Sonderfall bilden nur herabsetzende Äußerungen, die sich als Formalbeleidigung oder Schmähung darstellen. Dann ist ausnahmsweise keine Abwägung zwischen der Meinungsfreiheit und dem Persönlichkeitsrecht notwendig, weil die Meinungsfreiheit hier regelmäßig hinter den Ehrenschutz zurücktreten muss.


Soweit hiernach die Unparteilichkeit des Schiedsrichters angezweifelt und letztlich in Abrede gestellt worden sein soll, wurden die Äußerungen Bellinghams in diese Richtung hinein interpretiert, ohne dass dies der Fußballer aber so klar und unmissverständlich ausgesprochen hat. Das Sportgericht gelangt damit allein durch seine Auslegung dieser Worte in die gewünschte Richtung einer Unsportlichkeit, ohne dass Bellingham den Vorwurf der fehlenden Unparteilichkeit Zwayers so konkret erhoben hat. Damit wird letztlich die Meinungsäußerungsfreiheit des Fußballers in Abrede gestellt, wenn seine Äußerung sogleich als unsportliches Verhalten abgetan wird, zumal die Worte emotional beladen unmittelbar nach Spielende und nicht erst nach sorgsamer Vorbereitung auf das Interview gefallen sind. Das BVerfG verlangt nämlich eine umfassende Auseinandersetzung mit den konkreten Umständen des Falles und der Situation, in der die Äußerung gefallen ist. Eine ehrbeeinträchtigende Äußerung ist daher nur dann eine mit einer Geldstrafe zu ahndende Unsportlichkeit, wenn das Gewicht der persönlichen Ehre in der konkreten Situation die Meinungsfreiheit des Äußernden überwiegt. Entsprechende berechtigte Zweifel sind hier jedenfalls angebracht.


Kurzum das DFB-Sportgericht hat wieder einmal kurzen Prozess gemacht und ist seiner berühmt-berüchtigten historischen Linie treu geblieben. Dem DFB haben schließlich Grundrechtsverstöße oder gar Menschenrechtsverletzungen (siehe die Weltmeister-schaften 1978 in Argentinien, 2018 in Russland und 2022 in Katar) bislang keine Kopfzer-brechen bereitet. Die beiden letzten Sätze wurden mit Bedacht formuliert, damit sich der Verfasser dieser Zeilen konkret auf die vom Grundgesetz geschützte Meinungs-freiheit berufen kann.

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